Bärenbrunnen und Skulptur „Versöhnung von Erzfeinden“ Vortragende: Giselheid Otto
Bärenbrunnen, La-Canourgue-Figur – und die französisch-deutsche Freundschaft
Ältere haben es miterlebt, vielen Jüngeren ist es gar nicht bewusst: Deutschland und Frankreich waren Erzfeinde, haben sich jedoch nach dem 2. Weltkrieg in vorbildlicher Weise durch die Weitsicht insbesondere zweier Politiker versöhnt. Daran erinnert ein Kunstwerk in Gaiberg. Über dessen Entstehung und die Einordnung in den geschichtlichen Zusammenhang wie auch über die Entstehung des Bärenbrunnen-Kunstwerks berichtete in einem hörens- und sehenswerten Vortrag die 80jährige Gaiberger Künstlerin Giselheid Otto, die beide Kunstwerke teils in Zusammenarbeit mit Helga Schulz, die sich aktiv für die Erhaltung des Bärenbrunnens einsetzte, gestaltete. Gerade auch im Umfeld des Unfriedens in unserer heutigen Welt war der Besuch des Vortrags ein Gewinn – den leider nur relativ wenige Zuhörer erhalten haben.
Neun Monate – wer denkt da nicht an Geburten – dauerte auch die Erschaffung des Bärenbrunnen-Denkmals. Kaum jemand hat eine Vorstellung davon, wie viele Schritte notwendig sind, um aus Erde und Wasser, aus Schlämmen unterschiedlicher Konsistenz, aus Farbe und Trennmitteln eine derartige Skulptur zu schaffen. Zumindest die Zuhörer des Vortrags bekamen ein detailliertes Bild davon vermittelt. In insgesamt rund 60 bebilderten Einzelschritten beschrieb die Gaiberger Künstlerin in etwa einer Stunde sowohl die Erschaffung des Brunnens wie auch der Versöhnungsfigur, stellte diese in einen geschichtlichen Zusammenhang.
Dass es in Gaiberg den Bärenbrunnen gibt, verdankt der Ort einem seiner fünf Ehrenbürger: dem mittlerweile verstorbenen Maler und Bildhauer Georg Müller (Ehrenbürgerschaft 1971). Er gestaltete auch die farbigen Fenster der Friedhofskapelle und das blaue Glaskreuz neben der evangelischen Kirche. Giselheid Otto erzählte, dass er aus einer Baumwurzel eine Brunnenfigur schnitzte, die wie eine Bärenfamilie aussah, die dann zur Zierde des Brunnens wurde. Sie verwitterte jedoch – und wurde durch einen Steinsockel ohne Figur ersetzt. Diesen schmucklosen Zustand nahm die Künsterin zum Anlass, eine neue Brunnenfigur zu schaffen. Erfahrungen dazu brachte sie aus ihrer langjährigen Arbeit als Töpferin mit. Technische Fertigkeiten für den Zementguss erhielt sie von einem Freund. Mit einem Tischmodell stellte sie ihre Idee dem Gaiberger Gemeinderat vor: Es gab grünes Licht für die Übernahme der Materialkosten.
Dann folgte die neunmonatige Fertigung. Im Detail lässt sich diese in einer Dokumentation verfolgen, die Giselheid Otto in dem Vortrag zeigte. Sie liegt dem Gaiberger Heimat- und Kulturverein in Fotos und digital vor und lässt sich auf Wunsch einsehen. Kurz zusammengefasst erfolgte die Erschaffung in drei Phasen. Als erstes gab man der Figur die richtige Form; ein Tonmodell in Originalgröße wurde erstellt. Dessen Grundlage wiederum war eine Pappfigur, mit der man auch die Größenverhältnisse am Brunnen ermittelte. Eine Größe von 70 Zentimetern erwies sich als „goldrichtig“ – in Annäherung der Größenverhältnisse von Sockel und Figur an den Goldenen Schnitt. Wichtiger figürlicher Tipp: Die wachsame Bärenmutter sollte ihre Ohren in verschiedene Richtungen ausgerichtet erhalten. Phase 2 bedeutete, diese Tonfigur für die Umwandlung in eine Zementfigur technisch vorzubereiten. Es galt, Schalenhälften zu schaffen, die in geeigneter Weise durch die Verwendung von Gips und Silikon einen Zementguss ermöglichten. Schließlich erfolgte als dritter Schritt der Steinguss. Als Grundlage dienten 100 Kilogramm Zement, die in 30 Eimern mit Wasser verrührt wurden. Der Tag der Öffnung der Schalen erbrachte: Im Prinzip war das Werk gelungen. Dann folgten noch etliche Restaurierungs-, Verschönerungs- und Stabilisierungsarbeiten. Mit allen notwendigen Trocknungsphasen der Zwischenschritte ergab sich so die genannte Produktionszeit von rund neun Monaten.
La Canourgue-Figur
Zehn Jahre nach der Bärenfigur entstand dann die Versöhnungsfigur, mit Hinblick auf Gaibergs Partnergemeinde genauer bezeichnet als die La Canourgue-Figur. Am 22. Januar 2013 feierte man das 50. Jubiläum des Élysée-Vertrags zwischen Frankreich und Deutschland. Für Gaiberg von Bedeutung: 2013 bestand die Partnerschaft Gaiberg-La Canourgue seit 25 Jahren. Diese „Jumelage“ sollte auch ein Denkmal bekommen, ein Symbol für die Überwindung der ehemaligen „Erzfeindschaft“ zwischen Frankreich und Deutschland. Der La Canourgue-Platz im Ortsmittelpunkt sollte Standort der Figur werden. Ihre Ausgestaltung als eine Katze, die schlafend auf einem Hund liegt, ergibt sich sowohl aus der an sich sprichwörtlichen Hund-Katze-Feinschaft und ihrer Überwindung, als auch aus der Tatsache, dass La Canourgue als Wappentier einen Jagdhund hat. Es ist ziemlich genau dieser Hund, mit dem die Gaiberger Katze in trauter Gemeinsamkeit ruht. Pünktlich am 22. Januar 2023 – zum 60. Geburtstag des Élysée-Vertrags – kam die renovierte Figur in neuer Steinlasur zurück auf den La Canourgue-Platz. Zwischenzeitlich war ja die Ortsmitte in großem Maße umgestaltet worden.
Den Auftrag für die Verwirklichung der Figur erhielten Siselheid Otto und Helga Schulz von der Gemeinde Gaiberg. Der Entstehung kam ein Zufall entgegen: Zu seinem 80. Geburtstag bot der weithin bekannte Bildhauer Prof. Erich Sauer (geb. 1931) aus Frankentlal einen letzten Bildhauer-Kurs an, auf dem Dilsberg. Die Versöhnungsfigur wurde etwas vereinfacht hergestellt, ohne Silikonschicht zur Trennung. Dafür musste der Gips mit Hammer und Meißel von der Zielfigur abgeschlagen werden, was eine umfangreiche Nachbearbeitung erforderte. Passend um La Canourgue-Platz erhielt die Figur im Januar 2023 einen hellen gelbbraunen Überzug. Wenn im nächsten Jahr der Besuch aus La Canourgue kommt, werden die französischen Freunde ihre restaurierte Figur bewundern können.
Die Vortragende machte besonders deutlich, welche Bedeutung der politische und geschichtliche Hintergrund der Figur hat. Die deutsch-französische Erzfeindschaft hat unendliches Leid über die Völker gebracht. Über 500 Jahre lang bekämpfte man sich; es gab 23 Kriege! Die schrecklichsten davon: der Pfälzer Erbfolgekrieg 1793, der Krieg gegen Napoleon 1813/14, der deutsch-französische Krieg unter Bismarck 1870/71 und schließlich die beiden Weltkriege. Dann betonte Otto: Schauen wir also auf jenen politisch ungeheuer weitsichtigen Vertrag vom 22. Januar 1963. In den 18 Jahren nach Ende des 2. Weltkriegs hatte sich dafür eine Atmosphäre aufgebaut. Die Menschen wollten keinen Krieg mehr. Man sehnte sich nach bleibendem Frieden. Der Élysée-Vertrag wurde unter großer öffentlicher Anteilnahme im Élysée-Palast in Versaille vom deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle unterzeichnet. Beide Staatsmänner hatten in ihrer Weitsicht sowohl kulturellen Austausch im Auge wie auch die Möglichkeit, dass durch Freundschaft zwischen Städten und Dörfern sowie durch einen Austausch von Schulkindern ein neues Europa-Bewusstsein entstehen sollte. Dies war ein Vorläufer dessen, was heute das Erasmus-Programm leistet, das jungen Menschen die Möglichkeit bietet, mit Unterstützung im europäischen Ausland zu studieren. Zudem gab es Gespräche über eine politische Union Europas, zunächst mit sechs Ländern. De Gaulle fragte damals Adenauer, ob er – falls diese scheiterten – auch einen Vertrag mit nur den zwei Staaten Frankreich und Deutschland schließen würde, und Adenauer antwortete: Ja.
Zum Abschluss ihres Vortrags zitierte Giselheid Otto noch Dubravka Šuica. Sie war von 2001 bis 2009 Bürgermeisterin von Dubrovnik. Vom 1. Juli 2013 bis zum 30. November 2019 gehörte sie dem Europäischen Parlament an. Seit dem 1. Dezember 2019 ist sie Vizepräsidentin der EU-Kommission und Kommissarin mit der Amtsbezeichnung "Neuer Schwung für die Europäische Demokratie". Sie sagte: „Bürgerbeteiligung ist nicht auf die Wahlurne beschränkt. Die Regionen und Gemeinden stehen an der Spitze der partizipativen Demokratie. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der jungen Generation von Politikern und Politikerinnen. Themen sind: Klimawandel, Lebensmittelverschwendung, Mobilität der Zukunft sowie die Politik-Gestaltung in Europa. Es geht inzwischen um mehr als nur Aussöhnung: Um engagierte Bürger für eine fortschrittliche europäische Politik. Immer bedeutsamer wird daher die Kommunikation an der Basis.“